ExRotaprint

Die Firma Rotapint war ein deutscher Druckmaschinenhersteller und gilt als Pionier des Kleinoffsetdrucks. Lange Zeit war Rotaprint Synonym für die Vervielfältigung in kleinen Auflagen. 1904 unter dem Namen „Deutsche Maschinen Vertriebsgesellschaft“ gegründet, produzierte das Unternehmen ab 1916 in der Reinickendorfer Straße 46 und prägte als wichtiger Arbeitgeber im „Roten Wedding“ in den folgenden Jahrzehnten den Block zwischen Gottsched- und Wiesenstraße nachhaltig. 1925 in Rotaprint umbenannt, wuchs die Firma kontinuierlich und exportierte Druckmaschinen weltweit. Die Rotaprint-Maschinen waren unersetzliche Arbeitsmittel für Behörden und Firmen, aber auch für die linke Gegenöffentlichkeit der 1960er Jahre. Ende der 1970er Jahre beginnen neue elektronische Entwicklungen den Kleinoffsetdruck zu verdrängen. Rotaprint gerät in Schwierigkeiten, verschiedene Rettungsversuche können den Konkurs der Firma 1989 nicht verhindern.

Bereits ab 1906 produzierte die Firma die Kopiermaschine „Viktoria“, eine Kurbelmaschine für 10-12 Kopien. 1912 kam die „Viktoria Record“ auf den Markt, 1918 die „Viktoria 18“. Vervielfältigung war in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg eine nachgefragte Technik. 1922 wurde die erste Rotaprint Offsetdruck- und Vervielfältigungsmaschine produziert, ein Vervielfältigungsapparat mit Handbetrieb, der das noch wenig bekannte Offsetdruck-Verfahren auf das Kleinformat übersetzte. 1923 gab es diese Maschine mit elektrischem Motor: Rotaprint hatte die erste Kleinoffsetdruckmaschine erfunden. 1926 wurde die Deutsche Maschinen Vertriebsgesellschaft in Rotaprint GmbH umbenannt, 1929 in Rotaprint AG. In diesen Jahren entwickelte Rotaprint die Technik weiter: den Rotaprint-Rollendrucker DIN A4 mit Anlegevorrichtung, mit Schneidevorrichtung, mit Perforier-Einrichtung, dann die Rotaprint R 30 als Stapeldrucker DIN A3. Über 300 Beschäftigte arbeiteten in der Fabrik an der Fertigung von Kleinoffsetdruckmaschinen.

Während des Zweiten Weltkriegs stellte der Betrieb auf Rüstungsfertigung um. Rotaprint-Maschinen waren „kriegswichtig“. Die Firma beschäftigte Zwangsarbeiter. Nach den Luftangriffen von 1945 waren 80 Prozent der Produktionsstätten zerstört.

Im Jahr 1951 sind die Flachbauten an der Gottschedstraße anstelle der zerstörten Vorderhäuser errichtet worden um der wachsenden Produktion gerecht zu werden. Im selben Jahr ging der Rotaprint-Express, ein Vorführwagen mit fahrender Ausstellung, auf Deutschlandtour und bewarb die neue Technik. Rotaprint hatte jetzt wieder an die 500 Mitarbeiter. Die R 20 wurde für das DIN A2-Format, die R 40 mit Sauganleger für den Prospektdruck entwickelt. Ab 1953 sind weitere Grundstücke im Blockinneren hinzugekauft worden um Produktionshallen zu bauen. Im Jahr 1954 feierte die Rotaprint AG ihr 50-jähriges Jubiläum. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre hatte Rotaprint bis zu 1000 Beschäftigte, 60 Prozent der Produktion gingen in den Export.

In diesen Jahren ging Rotaprint daran, dem gesamten Standort durch gestalterisch anspruchsvolle Neubauten eine moderne Identität zu geben. Der größte Teil dieser Bauten wurde von dem Architekten Klaus Kirsten entworfen. (Mehr zu der Architektur hier)

In den 1950er und 1960er Jahren erlebt die Firma Rotaprint einen Aufschwung, der beispielhaft für das Wirtschaftswunder in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg war. 1968 erhielt Direktor Paul Glatz eine Auszeichnung für internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit, der Export war ein wichtiges Betätigungsfeld des Unternehmens. In den 1970er Jahren begannen die Probleme von Rotaprint. Das Aufkommen der Fotokopierer und später der Personal Printer ersetzte die Kleinoffsetdruckmaschine und verdrängte die Technik aus dem Markt, Mitte der 1980er Jahre war der Betrieb verschuldet. Das Land Berlin erwarb das rund 36.000 m² Gelände der Firma Rotaprint zum Verkehrswert in der Hoffnung, den Weddinger Betrieb mit seinen Arbeitsplätzen für den Bezirk erhalten zu können. 200 Wohnungen des ehemaligen Firmengeländes wurden in das Treuhandvermögen der GESOBAU übertragen. 1988 erwarb ein amerikanischer Investor als letzte Hoffnung die Rotaprint AG. Der Architekt Richard Rogers sollte einen Neubau gegenüber des AEG-Geländes in der Hussitenstraße entwerfen, dazu kam es nicht mehr. 1989 ging die damals älteste Kleinoffset-Druckmaschinenfabrik der Welt in Konkurs. Der Betrieb war mit über 30 Mio. DM – auch bei der Stadt Berlin – verschuldet, im Oktober 1989 fand die Versteigerung des Firmeninventars statt. Neben Schering, Osram und AEG war Rotaprint viele Jahrzehnte lang einer der wichtigen Arbeitgeber im Wedding gewesen. Das Gelände ging aufgrund der Schulden in Landesbesitz über, der Bezirk Wedding übernahm die Verwaltung.

 

… und danach: 1989 bis 2004

Mit dem Konkurs wurde auch die Zukunft der Gebäude fraglich. Es ist Landeskonservator Prof. Engel zu verdanken, dass das Ensemble an der Gottschedstr. 4 / Bornemannstr. 9/10 und das getrennt gelegene Haus Wiesenstr. 29 unter der Bezeichnung „Rotaprint-Fabrik“ gegen den Willen des Bezirks 1991 unter strengen Denkmalschutz gestellt wurde. Die Produktionshallen im Blockinneren zwischen Ufer- und Reinickendorfer Straße sind von der Unterschutzstellung ausgenommen und bereits 1992 abgerissen worden. Nach dem Abriss ist 1993-94 eine umfangreiche Sanierung des Bodens und der Grundwasserleiter notwendig, die Kosten von über 6,5 Mio. DM trug der Berliner Senat. Aus einem 1993 durchgeführten städtebaulichen Realisierungswettbewerb für den Rotaprint-Block ging ein Bebauungsplan für das Gelände zwischen Reinickendorfer-, Wiesen- und Uferstraße hervor. Auf dem Brachgelände sollte Wohnungsneubau realisiert werden, dazu kam es erst im Jahr 2016. Der größere Bereich des Geländes blieb 24 Jahre lang unbebaut, auf einer Teilfläche entstand 2006 ein Lidl Markt.

In den Gebäuden an der Gottschedstr. 4 / Bornemannstr. 9/10 und dem Haus Wiesenstr. 29 zogen in den 1990er Jahren kleine Unternehmen, Künstler und soziale Einrichtungen ein. Das Bezirksamt Wedding vermietete die leerstehenden Flächen an Zwischennutzer. 2002 wurden die Grundstücke in das Vermögen der Liegenschaftsfonds GmbH, einer Treuhänderin des Landes Berlin, mit dem Ziel des Verkaufs zum Höchstpreis übertragen. Das Haus Wiesenstr. 29 ging als separates Grundstück ebenfalls in das Vermögen des Liegenschaftsfonds. Zur besseren Vermarktung teilte der Liegenschaftsfonds 2004 die Liegenschaft weiter auf – in die südliche Brachfläche, die sich nach der Bodensanierung in ein kleines Wäldchen verwandelt hatte, und dem denkmalgeschützten Ensemble Gottschedstr. 4 / Bornemannstr. 9/10. Noch im selben Jahr erwarb der Discounter Lidl den Großteil der Brachfläche zwischen Wiesen- und Reinickendorfer Straße. 2006 entstand hier der Neubau eines Lidl-Marktes, der direkt an das Baudenkmal angebaut wurde und das architekturhistorisch bedeutende Tischlerei- und Lehrwerkstättengebäude von 1958 in die zweite Reihe verwies. Der Verkauf durch den Liegenschaftsfonds und der Lidl Neubau waren der Auslöser für die Gründung der Mieteriniative ExRotaprint.

  ……lesen Sie hier die Geschichte der Übernahme 2004-2007