ExRotaprint

ExRotaprint ist bekannt für seine faszinierenden Gebäude aus den 1950er Jahren. Sie sind ein wesentlicher Teil der Identität von ExRotaprint und waren Motivation und Treibstoff für die Entwicklung des Projektes.

Nach dem Konkurs der Firma Rotaprint 1989 gab es keine Perspektive für das Gelände. Es ist Landeskonservator Prof. Engel zu verdanken, dass 1991 der „große Betriebshof“ Gottschedstr. 4 / Bornemannstr. 9/10 und das Haus in der Wiesenstr. 29 unter strengen Denkmalschutz gestellt wurden. Die Produktionshallen im Blockinneren zwischen Reinickendorfer- und Uferstraße sind 1992 abgerissen worden. Der Denkmalstatus war zu dieser Zeit umstritten. Die BZ titelete: „Bunker jetzt Baudenkmal„. Prof. Engel formulierte sachlich: „Die gelungene architektonische Überformung einer aus der Gründerzeit stammenden Quartiersbebauung mit der Formensprache der Moderne ist eines der besten Architekturbeispiele der 50er Jahre in Berlin.“

Nach dem zweiten Weltkrieg war ein Großteil des damaligen Rotaprint-Standortes zerstört, nur einzelne gründerzeitliche Gebäude im Hofinneren konnten erhalten werden. Die in den frühen 1950er Jahren rasch wieder ansteigende Produktivität erforderte bald neue Produktionsräume, der sich einstellende wirtschaftliche Erfolg der Firma Rotaprint machte es möglich das Ensemble bis zum Ende des Jahrzehnts durch repräsentative Gebäude zu ergänzen und im Stil der Nachkriegsmoderne zu überformen. Rotaprint entschied sich für den jungen Architekten Klaus Kirsten und stellte sich mit seiner Architektur als moderner und fortschrittlicher Wirtschaftsbetrieb dar. Das architektonische Ensemble aus Gründerzeitarchitektur und Erweiterungsbauten aus den 1950er Jahren ist laut Landeskonservator ein einzigartiges Beispiel für „… die lange Tradition der Berliner Industriekultur, in der die Formgebung der Gebäude als wichtige künstlerische Gestaltungsaufgabe wahrgenommen wurde.

 

Wiederaufbau in den 1950er Jahren …

 

Anfang der 1950er Jahre beginnt Rotaprint, die gründerzeitlichen Gewerbebauten, die die Kriegszerstörungen überstanden hatten, wiederherzustellen und umzugestalten. Backstein- und Klinkerfassaden werden purifiziert und mit weißem Putz versehen, Fenster werden modernisiert. Insgesamt soll der Bestand lichter und heller wirken und sich mit den Neubauten optisch zu einer Einheit verbinden. Anstelle der zerstörten Vorderhäuser an der Gottschedstraße 3-5 entstehen Flachbauten, die ein neues Werkstor und die breite Einfahrt in den großen Betriebshof flankieren, erweitert wird die Produktionsanlage in die Tiefe des Blockinneren zwischen Bornemann-, Ufer- und Reinickendorfer Straße. Hier werden südlich des großen Betriebshofs großflächige Produktionshallen errichtet. Ausführender Architekt der meisten dieser ersten baulichen Erneuerungen der Rotaprint-Fabrik ist Hans Heinze.

 

In den folgenden Jahren formt Rotaprint für den gesamten Standort eine moderne Identität. Grundstückszukäufe ermöglichen dem vormals nur im Hof ansässigen Unternehmen die Repräsentanz im Straßenbild. Mit den gestalterisch anspruchsvollen Neubauten wird der Architekt Klaus Kirsten beauftragt.

 

 

1955-56 Technisches Büro / Gottschedstr. 4 / Architekt Klaus Kirsten

Der erste Auftrag von Rotaprint an Klaus Kirsten ist der Wiederaufbau von Haus 1. Der Querriegel bildet den südlichen Abschluss des großen Betriebshofs und dient als Übergang zu den Produktionshallen. Haus 1 ist das zentrale Gebäude der Gesamtanlage. Es nimmt die Kubatur sowie Grundmauern des früheren gründerzeitlichen Querriegels auf und transformiert das schlichte alte Werkstattgebäude in ein weithin sichtbares, modernes Haus ganz im Stil der 1950er Jahre mit einem gläsernen Aufbau, der an ein Theaterfoyer dieser Zeit erinnert. Das repräsentative Obergeschoss ist Arbeitsplatz für die Ingenieure und die Firmenleitung. Mit einem zeitgemäßen Pultdach versehen, öffnet sich der zentrale Raum über großzügige Fenster nach Norden und Süden und gibt den Blick über die Gesamtanlage frei. Um seiner repräsentativen Funktion gerecht zu werden hat das Technische Büro auffällige gestalterische Details. Der umlaufende Rahmen der „Glaskiste“ ist im typischen Rotaprint-Rot gefasst, farbige Mosaiken gestalten den nach oben offenen Treppenraum, das Treppengeländer ist eine designtechnische Spezialanfertigung, großflächige Glastrennwände gliedern das Obergeschoss.

Haus 1 ist auch der erste ausgeführte Bau des damals 26-jährigen Architekten, der im Jahr der Beauftragung sein Studium an der Technischen Universität Berlin abschließt.

 

 

1957-58 Eckturm, Bürogebäude, Montagehalle, Treppenhaus / Bornemannstr 9-10 / Architekt Klaus Kirsten

Nach dem Erwerb des Grundstücks an der Ecke Gottsched- und Bornemannstraße wird Klaus Kirsten mit dem Entwurf einer modernen Straßenansicht für die aufstrebende Firma Rotaprint beauftragt. Die Planung erfolgt in kurzer Zeit und mit zum Teil abrupten Änderungen, teilweise bleiben die Bauten unvollendet. Das Eckensemble schließt an die rückwärtige Brandwand des gründerzeitlichen Gewerbebaus von 1904 an und verdrängt die Altbaustruktur optisch aus dem Straßenraum. Kirsten entwirft einen aufgefächerten Blockrand aus vier modernen Gebäudeteilen, die im Inneren miteinander und mit dem hofseitigen Altbau verbunden sind. An die schräg auf die Blockecke zulaufende Brandwand setzt Kirsten einen einbündigen Büroriegel mit plastisch ausgeprägter Rasterfassade an. Vertikale Betonstützen fassen die raumhohen Fassadenelemente, die Fassade tritt deutlich vor die eigentliche Außenwand hervor. Dem Büroriegel vorgelagert ist eine eingeschossige Montagehalle mit umlaufenden Fensterband und runden Oberlichtkuppeln. Das angrenzende 2-geschossige Treppenhaus mit der hinter einer offenen Glasfassade feierlich wirkenden Treppe könnte als zweiter Haupteingang zum Verwaltungstrakt der Anlage gedacht gewesen sein, wie es eine frühe Skizze vermuten lässt. Das Gebäude wurde allerdings nur 2-geschossig ausgeführt und hat bis heute einen provisorischen Dachabschluss. Den Höhepunkt der offenen Blockecke bildet der auffällige Kopfbau an der Ecke zur Gottschedstraße. Das turmartige Gebäude nimmt in den Grundrissen die Straßenfluchten und Grundstücksgrenzen auf, seine Kubatur ist geprägt von zueinander verdrehten Volumen, die ihm eine hohe plastische Wirkung geben. Besonders auffällig ist ein über Eck hervortretender Erker, der das Gebäude in Richtung der Haupteinfahrt des Geländes ausrichtet. Die Planzeichnungen von 1958 zeigen das bis heute 5-geschossige Gebäude als 7-geschossigen Turm. Aus unbekannten Gründen ist der Bau im November 1958 ausgerüstet und auch später nicht vollendet worden. Auch eine finale Hülle ist nicht ausgeführt worden, der schalungsraue Beton ist rein konstruktiv und war nicht als Gestaltungselement vorgesehen, vermutlich wäre er verputzt worden. Bei aller beeindruckender Präsenz ist der Eckturm ein unfertiges Gebäude, das im Verhältnis zu den angrenzenden Gebäuden zu klein und wie als ein Stumpf ausgebildet wirkt. Eine Skizze von Klaus Kirsten von 1958 zeigt die eigentlich beabsichtigte Wirkung des Turms, der sich hoch über die Einfahrt erhebt und weit in den Straßenraum wirkt.

 

 

1957-58 Verwaltungsgebäude mit Montagehalle / Wiesenstr. 29 / Architekt Otto Block

Das Gebäude nach Entwürfen des Architekten Otto Block entsteht zeitgleich zu den Arbeiten in der Gottschedstraße. Die 6-geschossige, streng rationale Industriearchitektur schließt den Blockrand in der Wiesenstraße, rückwärtig wird es ergänzt durch eine 1-geschossige Montagehalle mit großflächigen Lichtbändern, die in 6 m Höhe von einer Shedkonstruktion überdacht ist. Das Gebäude ist heute mittels Erbbaurecht in Besitz der Wiesenstraße 29 eG.

 

 

1957-59 Tischlerei- und Lehrwerkstättengebäude / Reinickendorferstr. 44/45, heute Gottschedstr. 4 / Architekt Klaus Kirsten

Ein weiterer architektonischer Höhepunkt des Geländes ist das Tischlerei- und Lehrwerkstättengebäude, das Klaus Kirsten fast zeitgleich zum Eckensemble an dem diagonal gegenüberliegenden hinteren Ende der damaligen Gesamtanlage baut. Auch hier wird der Neubau an eine bestehende Brandwand angesetzt und nutzt das Bestandstreppenhaus mit. Das 5-geschossige Gebäude ist der höchste Bau der Anlage, hinter dem der rückwärtige Altbau zurücktritt. Wie eine moderne kubistische Skulptur bildete dieser Turm den spektakulären Abschluss zu den damals südlich angrenzenden, eingeschossigen Produktionshallen und ist weithin sichtbar. Die spielerisch gestapelten, vor- und zurückspringen Kuben, die nach Westen fast vollständig verglast sind, bewirken eine enorme Plastizität dieses „Kistenturms“. Den Kopf des Gebäudes bildet ein weit hervortretender Kubus mit Schmetterlingsdach, das im zeitgleich ergänzten Dach des rückwärtigen Altbautreppenhauses formal gespiegelt wird. Weißer Feinputz verbindet alt und neu und betont den modernistischen Charakter des Gebäudes. Die Planung von 1957 zeigt, dass auch für das Werkstättengebäude eine Erweiterung entlang der gesamten Brandwand ähnlich wie beim Eckensemble vorgesehen war, was den Zusammenschluss mit dem rückwärtigen Gewerbebau zu größeren, flexibel nutzbaren Einheiten ermöglicht hätte. Dies ist auch der Grund für die schlichte Nordfassade des Gebäudes, an der die provisorische Ausmauerung der einzelnen Geschosse gut ablesbar ist.

 

 

… bis heute erhalten

 

Die Firma Rotaprint hat in den Wiederaufbaujahren der Nachkriegszeit an ihrem innenstädtischen Produktionsstandort festgehalten und ihn nach und nach entsprechend dem steigenden Raumbedarf des erfolgreichen Unternehmens erweitert und ausgebaut. Die Gesamtanlage der Rotaprint-Fabrik zeigt, wie durch Weiterbauen des Altbestands die Transformation in einen modernen Produktionsstandort gelingen kann, bei dem Alt- und Neubauten eine Symbiose eingehen. In den 1960er Jahre plante Rotaprint mehrere Erweiterungsbauten, die aber nicht mehr ausgeführt werden. Ab Mitte der 1970er Jahren bekam der Betrieb wirtschaftliche Probleme, bauliche Veränderungen wurden kaum noch vorgenommen. Leider ist die Rotaprint Fabrik nicht mehr in ihrem ganzen Ausmaß erhalten. Die nicht unter Denkmalschutz gestellten Produktionshallen wurden 1992 abgerissen. Die seit 1991 als Gesamtanlage denkmalgeschützten Gebäude in der Gottschedstr. 4, Bornemannstr. 9-10 und der Wiesenstr. 29 sind weitestgehend in ihrem Originalzustand erhalten und werden schrittweise saniert.
Details über die Umbau- und Sanierungsmaßnahmen hier…