ExRotaprint

Klaus Kirsten war 26 Jahre alt, als er im Jahr seines Studienabschlusses den Auftrag für den Bau des Technischen Büros von Rotaprint bekam. Durch die Veröffentlichung seiner Diplomarbeit in der Bauwelt (#48, 1955) war der junge Architekt bereits bekannt. Seine Aufenthalte in Mailand und Rom brachten ihm internationale Erfahrungen ein, wie sie in den 1950er Jahren für einen jungen deutschen Architekten eher selten waren. Der eigentliche Grund aber für den frühen und umfassenden Auftrag von Rotaprint dürfte die Tatsache gewesen sein, dass Kirstens Vater, Professor der Zahnmedizin, mit Paul Glatz, dem damaligen Direktor der Rotaprint AG, bekannt gewesen ist. Glatz wollte für seine aufstrebende Firma ein modernes und junges Erscheinungsbild, dem entsprach die Arbeit von Klaus Kirsten am Querriegel, in den auch das Planungs- und Geschäftsführerbüro einzog, so folgten weitere Aufträge. In die Jahre seiner Tätigkeit für Rotaprint zwischen 1955 und 1959 fällt die Gründung des gemeinsamen Büros mit Heinz Nather. Die Rotaprint Gebäude entwarf Klaus Kirsten noch alleine, sie nehmen aber im Werk von Kirsten & Nather Methoden und Themen vorweg, die exemplarisch für ihr gemeinsames architektonisches Werk sind.

 

Kirsten & Nather

Klaus Kirsten (*1929 in Berlin) und Heinz Nather (*1927 in Riga) lernten sich beim Studium kennen und blieben ihr Leben lang beruflich und freundschaftlich miteinander verbunden. 1948 nahmen sie ihr Architekturstudium an der TU Berlin auf, sie studieren bei Hans Scharoun, Willy Kreuer und Hertha Hammerbacher. 1950 ging Kirsten für zwei Semester an die TU Stuttgart, 1954 absolviert er ein dreimonatiges Praktikum bei Giò Ponti in Mailand. Beide Architekten schlossen 1955 ihr Studium an der TU Berlin mit Diplom ab. Klaus Kirsten erhielt im selben Jahr den Fritz-Schuhmacher-Preis, im Folgejahr brachte ihn ein Stipendium des italienischen Staates für 8 Monate nach Rom. Die Zeit in Italien hat seine künstlerische Entwicklung und das gemeinsame Werk von Kirsten & Nather geprägt. Nach seiner Rückkehr aus Italien machte sich Klaus Kirsten selbständig. Heinz Nather arbeitete nach dem Studium zunächst im Büro Bruno Döring. 1957 gingen die beiden ehemaligen Studienkollegen eine Arbeitsgemeinschaft ein und betrieben bis zu Kirstens Tod 1999 gemeinsam die Architektengemeinschaft Kirsten & Nather.

Neben der Rotaprint-Fabrik im Wedding, weiteren Industriebauten in Berlin wie der Werksanlage der Firma Elektron (Saatwinkler Damm 60) oder den Berliner Bettwäsche Betrieb (Bülowstraße 76-77) und einer Vielzahl von Ladenausstattungen konzentrierte sich das Büro auf den Einfamilienhausbau. Einige bedeutende Bauten entstanden im Berliner Westen, in Zehlendorf, Dahlem, im Hansaviertel und in Charlottenburg. Auch außerhalb Berlins errichteten Kirsten & Nather mehrere Wohnbauten, zwei Ferienhäuser entstanden am Gardasee, eine Hotelanlage in Irland und nach einer erfolgreichen Wettbewerbsteilnahme 1962 drei Reihenhaussiedlungen in Köln Chorweiler-Seeberg.

Die Architekten erhielten die meisten Aufträge aus dem privaten Umfeld, wurden oft weiterempfohlen und pflegten einen engen, fast freundschaftlichen Kontakt zu ihren Bauherren. Der Fachöffentlichkeit und politischen Netzwerken blieben sie jedoch weitestgehend fern, beteiligten sich nicht an dem in Berlin ab den 1960ern dominierenden Sozialen Wohnungsbau und blieben demensprechend unbekannt. Obwohl das Büro bis 1999 bestand, fällt das Hauptwerk der beiden Architekten in die 1950 und 1960er Jahre, in denen sie mit freien Formen und offenen Grundrissen einen eigenständigen Beitrag zur Berliner Nachkriegsmoderne leisteten. Ab 1968 betrieb Klaus Kirsten zusätzlich zu dem Architekturbüro ein Hotel in Irland. Er verstarb 1999 in Berlin. Heinz Nather lebt heute in seinem Haus in Berlin-Kohlhasenbrück.

Leider sind wenige der Gebäude von Kirsten & Nather im Originalzustand erhalten, einige herausragende Werke wurde bereits vor 2000 abgerissen. Die ehemalige Rotaprint-Fabrik wurde im Jahr 1991 unter Denkmalschutz gestellt, das Wohnhaus von Heinz Nather in Kohlhasenbrück ist 2013 als Baudenkmal eingetragen worden.