ExRotaprint

ExRotaprint ist 2004 als Mieterinitiative gestartet. Die Perspektivlosigkeit des Standortes in der Warteschleife der Verwertung und die daraus folgende Vernachlässigung über viele Jahre waren Auslöser für das Projekt. Initiiert von den Künstlern Daniela Brahm und Les Schliesser wurde am 31.8.2005 der Verein der Mieter ExRotaprint e.V. gegründet. Ziel war der Kauf des Grundstücks. Wir Mieter sahen uns als die eigentlichen Investoren. Der Vorstand des Vereins führte die Kaufverhandlungen und war Ansprechpartner für Politik und Öffentlichkeit. Der Kampf um eine Projektentwicklung „von unten“ ist zu Beginn völlig offen und nur mit Hartnäckigkeit, eigenen Ideen, politischem Druck und zuletzt auch mit der Unterstützung aus Bezirk und Land durchzusetzen. Nach erfolgreichen Kaufverhandlungen beschloss der Verein die Gründung der gemeinnützigen GmbH ExRotaprint, die heute auf Basis eines 99-jährigen Erbbaurechts das Gelände alleinverantwortlich entwickelt.

 

2002 Das ehemalige Rotaprint Gelände geht vom Bezirk-Wedding in die Zuständig des Liegenschaftsfonds Berlin (LiFo) über. Vorrangiges Ziel ist der Verkauf des Geländes zum Höchstpreis. Auf die Verwaltung des Geländes mit Bestandsmietern ist der LiFo nicht vorbereitet, die Verwaltung bricht binnen kurzer Zeit zusammen, sie wird daraufhin ausgelagert, mehrfache Verwalter- und Hausmeisterwechsel folgen.

2003 Der LiFo gibt ein Verkehrswertgutachten für das ehemalige Rotaprint Gelände in Auftrag. Ermittelt wird ein Verkehrswert von 2,18 Mio. €.

2004/2005 Les Schliesser und Daniela Brahm erarbeiten ein Konzept zur Übernahme des Geländes durch die Mieter vor Ort. Ziel ist es, einen Optionsvertrag mit dem Liegenschaftsfonds Berlin abzuschließen um die Verwaltung des Geländes zu übernehmen, eine wirtschaftliche Perspektive zu entwickeln und den eigentlichen Kauf in 2 Jahren zu vollziehen. Um in den Verhandlungen legitimiert zu sein und für den Prozess eine Plattform für die Interessen der Mieter zu haben, werben Daniela Brahm, Les Schliesser und Anna Schuster auf dem Gelände für die Gründung eines Vereins der Mieter.

31.8.2005 Vereinsgründung ExRotaprint e.V.

Von den zu dieser Zeit ca. 40 Mietparteien auf dem Gelände sind sieben Mieter zur Vereinsgründung bereit und werden Mitglied. Im Laufe des folgenden Prozesses wächst der Verein zeitweilig auf 12 Mitglieder an, manchmal kommen bis zu 22 Personen zu einer Sitzung, an anderen Tagen 3.

13.10.2005 Termin beim Liegenschaftsfonds Berlin mit Herrn Lippmann.

Nach dem Verkehrswertgutachten von 2003 geht der LiFo von einem Kaufpreis von ca. 2,4 Mio. € aus, einen Optionsvertrag lehnt er ab, nach eigenen Angaben ist der LiFo nicht beauftragt zu entwickeln sondern zu verkaufen. Der LiFo fordert ExRotaprint auf in dem kurzfristig angesetzten Bieterverfahren zu bieten.

31.10.2005 Ein-Euro-Gebot von ExRotaprint für das ehemalige Rotaprint Gelände in der offenen Ausschreibung des LiFo, nach Darstellung des LiFo dient diese Ausschreibung ohne Mindestgebot der Ermittlung des Marktwertes.

Nov. 2005 ExRotaprint ist der einzige Bieter, Aufnahme von Verhandlungen mit ExRotaprint durch den LiFo; der LiFo bringt die Möglichkeit eines Erbbaurechts ins Spiel. ExRotaprint geht darauf ein, schließt aber einen Kauf nicht aus.

15.2.2006 Termin mit dem LiFo bei der Senatsverwaltung für Wirtschaft zur Verhandlung des Bodenwertes als Basis des Erbbauzins. Der LiFo legt den Bodenwert auf 989.000 Euro fest. Der Übernahmepreis für die Gebäude ist 1 Euro. Zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit wird ExRotaprint die Einsicht in die Bilanzen 2004/2005 zugesichert. Angekündigte Fertigstellung der Bilanzen im Juni 2006.

13.3.2006 Die Senatsverwaltung für Wirtschaft teilt dem LiFo ihr Einverständnis zum Erwerb des Erbbaurechts für 30 Jahre durch ExRotaprint und die Berechnungsgrundlagen für den Erbbauzins mit. Es ergibt sich ein Erbbauzins von ca. 4,8 % p.a. des Bodenwertes (unter Berücksichtigung der Förderung von produzierendem Gewerbe und Künstlern), also ca. 45.000 Euro p.a.

Juni 2006 Zu unserer Überraschung erfahren wir von einem Paketverkauf von 45 landeseigenen Immobilien, der auf Anfrage eines isländischen Investmentfonds vom LiFo parallel zu unseren Verhandlungen geschnürt wurde (”Berlin im Paket”). Ohne Benachrichtigung von ExRotaprint und ohne öffentliche Ankündigung wurde das Rotaprint Gelände in diesem Paket „entsorgt“, ExRotaprint wurde keine Möglichkeit eingeräumt auf den Paketverkauf zu reagieren.

Juli 2006 Brief an Herrn Lippmann mit der Aufforderung der Herausnahme des Rotaprint Geländes aus dem Paket. Der LiFo begründet das Aussetzen der Verhandlungen mit ExRotaprint damit, dass Kauf eindeutige Priorität vor Erbbaurecht hat, obwohl ExRotaprint einen Kauf nie ausgeschlossen hatte.

Aug. 2006 Aussendung an Vertreter aller Fraktionen in Senat und Abgeordnetenhaus mit der dringenden Bitte der Herauslösung von Rotaprint aus dem Paket. Beginn der Presse und Kampagnenarbeit von ExRotaprint um dem LiFo Druck zu machen.

29.8.2006 Eintreffen der in dem Termin zum Erbbaurecht im Februar (mit LiFo und Wirtschaftssenat) zugesagten Bilanzen 2004/2005 zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit des Geländes.

Sept. 2006 Neuwahlen des Berliner Senats stehen an, die Politik hat anderes zu tun…

Sept. 2006 Aufgrund eines Artikels in der Zitty Einladung des Projektes zu der Projektbörse “Experimentdays, alternative urbane Strategien der Nachhaltigkeit in Berlin“.

ab Sept. 2006 Analyse der Jahresbilanz 2005, Ermittlung der realen Betriebs- und Heizkosten, Ermittlung der durchschnittlichen realen Nettokaltmiete, weitere Konsultation bei der Verwaltung zur Einsicht in Zulieferverträge, Überblick über die extremen Unterschiede in den Mietverträgen. Ergebnis: die realen Betriebskosten fressen die Nettokaltmieten fast vollständig auf.

Okt. 2006 Antrag eines Mikroprojektes (10.000 Euro) im Rahmen der bezirklichen Förderung Lokales soziales Kapital (LSK) zur Anschubfinanzierung von Honorarkosten des Projektes, aufgrund des laufenden Paketverkauf ist die Bewilligung fraglich. Es erscheinen weitere Zeitungsartikel in TAZ (4.10.06) und Tagesspiegel (27.11.06). Bernhard Hummel und Christian Schöningh, beide Architekten, beraten erstmals den Vorstand (Daniela Brahm, Les Schliesser, Anna Schuster) von ExRotaprint. Bernhard Hummel unterstützt kontinuierlich die Arbeit des Vorstands.

Nov. 2006 Kontakt zur GLS-Bank, nach persönlichem Gespräch wurde deutliches Interesse an dem Einstieg der GLS in unser Projekt geäußert.

Nov. 2006 Konsultationen mit externen Beratern über Kreditvolumen, Finanzierung und Gesellschaftsmodell.

Nov. 2006 Eine weitere Aussendung an verantwortliche Politiker in Senat, Abgeordnetenhaus und Bezirk mit der dringenden Aufforderung der Herauslösung des Geländes aus dem Paket.

Dez. 2006 Direkte Konsultation einzelner Politiker durch den Vorstand von ExRotaprint im Abgeordnetenhaus, die im zuständigen Ausschuss arbeiten.

27.12.2006 Bezirksbürgermeister Dr. Christian Hanke informiert sich vor Ort über das Projekt und sagt seine Unterstützung zu.

9.1.2007 Anlässlich des angekündigten Investorenbesuchs des isländischen Immobilienfonds, für den das Immobilienpaket geschnürt wurde, hängen wir ein Transparent an die Fahnenstangen im Hof mit der Aufschrift: „Baudenkmal Rotaprint. There is no profit to be made here“.

10.1.2007 Der Vertreter des isländischen Immobilienfonds besichtigt das Gelände in Begleitung seiner Berater und Vertretern des Liegenschaftsfonds. Wir klären ihn über unsere Absicht auf, das Gelände selbst zu übernehmen, händigen Material aus und widersprechen seiner Idee, hier im Kiez Loftwohnen im höheren Preissegment ansiedeln zu wollen.

10.1.2007 Herr Dr. Flierl informiert sich bei einem Besuch auf dem Gelände über das Projekt und sagt seine Unterstützung zu.

15.1.2007 Anhörung im Ausschuss für Stadtentwicklung, dem Herr Dr. Flierl vorsitzt. Am Beispiel der Wiesenstr. 29 wird exemplarisch für beide Gelände deren stadtpolitische Bedeutung als Atelier-, Gewerbe- und Sozial-Standorte dargestellt. Der Denkmalschutz der Gelände wird betont, im Falle einer Spekulation auf Abriss durch den Investor besteht die Gefahr von auf den Senat zukommenden Kosten einer Bodensanierung.

Jan. 2007 Zu unseren Unterstützern gehören neben Dr. Hanke und Dr. Flierl auch der Atelierbeauftragte Florian Schöttle und der Bezirksstadtrat Ephraim Gothe.

24.1.2007 Wir legen in ersten Wirtschaftlichkeitsberechnungen dar, wie die notwendigen Instandsetzungsarbeiten und ein Kredit mit hier zu erzielenden Mieten bedient werden können.

Jan. 2007 Bewilligung des Mikroprojektes (LSK) vom Bezirklichen Bündnis für Wirtschaft und Arbeit mit der Zielsetzung „umsetzungsreife Projektentwicklung“ bis September 2007.

25.1.2007 Auf der Vereinssitzung stellen sich der Projektmanager Jörg Mauer und der Architekt Bernhard Hummel den Mietern vor. Beide beraten ExRotaprint für den Fall einer möglichen Übernahme von Rotaprint.

13.2.2007 Les Schliesser, Daniela Brahm und der Architekt Bernhard Hummel stellen das Projekt bei Herrn Wieland (SPD), Vorsitzender des Hauptausschusses Haushalt und Finanzen des Berliner Abgeordnetenhauses vor und erhalten seine Unterstützung.

20.2.2007 Presseerklärung von Dr. Flierl (PDS) über den Senatsbeschluss, die Grundstücke Gottschedstraße 4 und Wiesenstraße 29 aus dem Paketverkauf des Liegenschaftsfonds herauszunehmen. Vorgesehen ist die Rückübertragung an den Bezirk, die treuhänderische Verwaltung durch die GSE bis zum Verkauf an die Nutzerinitiativen.

22.2.2007 Begeisterung auf der Vereinssitzung über die Herauslösung von Rotaprint aus dem Paketverkauf.

Feb. 2007 Kreditantrag bei der GLS Bank für den Kauf des Geländes.

23.2.2007 Abschlusspräsentation des Studiengangs Real Estate Management, TU Berlin. Vorgestellt werden Konzepte für eine nachhaltige Entwicklung und Nutzung des ehemaligen Rotaprint-Geländes in Berliner Bezirk Wedding. Liegenschaftsfonds und der Vorstand von ExRotaprint treffen erstmals seit Scheitern der Verhandlungen aufeinander.

16.3.2007 Als Reaktion auf die Presseerklärung des Bezirks vom 20.2.2007 zur Rückübertragung der Rotaprintgrundstücke in sein Fachvermögen hat der Finanzsenat mit der Forderung, der Bezirk müsse die Grundstücke dann auch behalten, die nächste Hürde errichtet. Während der Investor aus „Nordeuropa“ seit Januar in die Verlängerungen der Nachbesserungen seines Gebotes geht, werden Lösungen für die Initiativen hochgehalten und nach Erfüllung – auch durch den Bezirk mit dem Antrag auf Rückübertragung – wieder fallengelassen. Neben Bernhard Hummel beteiligt sich auch der Architekt Christian Schöningh wieder am Prozess.

26.4.2007 Der Liegenschaftsfonds bietet ExRotaprint endlich Kaufverhandlungen an. Noch am Telefon schlägt Les Schliesser vor, das Gelände für denselben Preis zu kaufen, mit dem das ehemalige Rotaprint Gelände in dem Immobilienpaket für den isländischen Investmentfonds veranschlagt war (600.000 €).

15.5.2007 Erster Verhandlungstag. Der Vorstand von ExRotaprint einigt sich mit dem Liegenschaftsfonds auf ein 3-monatiges Moratorium, an dessen Ende der unterschriebene Kaufvertrag stehen soll.

Mai / Juni 2007 Der Vorstand von ExRotaprint wendet sich an die Stiftung trias zur möglichen Kooperation. Die Stiftung trias wiederum nimmt zur Stiftung Edith Maryon Kontakt auf. Nach mehreren Besichtigungen vor Ort und vielen Gesprächen, entschließen sich die Stiftungen zu einem ersten gemeinsamen Projekt. ExRotaprint entscheidet sich gegen einen Bankkredit für den Kauf und beschließt die Kooperation mit den Stiftungen, deren Ziel es ist Bodenspekulation auszuschließen. Der Vorstand des Vereins ExRotaprint verhandelt mit dem Liegenschaftsfonds Berlin alle Aspekte des Kaufs und entwickelt gleichzeitig einen Erbbaurechtsvertrag mit den Stiftungen trias und Edith-Maryon.

14.6.2007 Der Verein beschließt einstimmig bei einer Enthaltung die Gründung der gemeinnützigen GmbH ExRotaprint zur Übernahme des Geländes mittels Erbbaurecht.

17.7. 2007 Gründung der gemeinnützigen GmbH ExRotaprint. Sieben Mieter des Geländes, zwei Externe, die nicht Mieter aber begeistert von dem Projekt sind, und der Verein aller Mieter, der ExRotaprint e.V., werden Gründungsgesellschafter der ExRotaprint gGmbH.

3.9.2007 Das Gelände wird an die Stiftung trias und die Stiftung Edith Maryon verkauft. Im selben Notartermin unterzeichnen die Stiftungen einen 99-jährigen Erbbaurechtsvertrag mit der ExRotaprint gGmbH. Die ExRotaprint gGmbH ist nun Besitzerin der Gebäude auf dem Gelände der ehemaligen Rotaprint-Fabrik und alleinverantwortlich für die Projektentwicklung.

1.10.2007 Nutzen-Lasten-Wechsel

 

ExRotaprint Pressekonferenz Grundstückserwerb 2007, Foto: Michael Kuchinke-Hofer

Pressekonferenz von ExRotaprint und Liegenschaftsfonds Berlin am 4.9.2007 anläßlich des Kaufs des Geländes, v.l.n.r. Thomas Flierl, Holger Lippmann, Les Schliesser, Christian Schöningh, Daniela Brahm, Bernhard Hummel, Anne Fresdorf (Foto: Michael Kuchinke-Hofer)